Unsere Erinnerungskultur ist wichtig, sollte aber auf einem akkuraten Geschichtsbild fussen.
Mittwoch, 27. Mai 2015, 18:30 – 20:00 Uhr
An der Universität Zürich, Rämistrasse 71, 8006 Zurich, KOL-G-201 (Aula)
Der Schweiz fehlen die gängigen Attribute einer Nation wie gemeinsame Sprache oder gemeinsame Religion. Es ist vielmehr unsere kulturelle Vielfalt und unsere Geschichte, die uns zu dem macht, was wir sind. Morgarten 1315, Marignano 1515, der Wiener Kongress 1815 und das Endes des 2. Weltkriegs 1945 – alle diese Zäsuren haben unser Land geprägt. Sie sind alle Teil unserer Geschichte und sollten daher nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Weil unsere Erinnerungskultur für die Identität unseres Landes so wichtig ist, sollten wir uns um ein möglichst realistisches Geschichtsbild bemühen. Die historischen Verdienste der Alten Eidgenossenschaft, wie auch der modernen Schweiz treten erst klar zutage, wenn man sieht, wie geschickt sich unser Land im häufig bedrohlichen geopolitischen Umfeld positioniert hat. Auffällig ist dabei der Wille zusammenzuhalten – auch als gewaltige Fliehkräfte wirkten, wie während der Religionskriege oder in der Zeit des aggressiven Nationalismus.
Die heutige, erfolgreichen Schweiz hat tiefe Wurzeln in der Alten Eidgenossenschaft (Kommunalismus, Föderalismus); indes sind es vor allem unsere Institutionen und Grundwerte, die uns als Nation seit dem 19. Jahrhundert zusammen halten, vom Initiativ- und Referendumsrecht über das Proporzwahlrecht bis hin zu Meinungsfreiheit und Mehrsprachigkeit. Eine umsichtige Politik des kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Interessenwahrung: Das ist bis heute die Grundlage unseres Erfolgs.
Alain Berset war nach seinem Studium und Doktorat der Politik- und Wirtschaftswissenschaften unter anderem als Gastforscher am Institut für Wirtschaftsforschung in Hamburg tätig, bevor er strategischer Berater im Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Neuenburg wurde. 2006 machte er sich als unabhängiger Strategie- und Kommunikationsberater selbstständig. Seit 2003 bereits im Kanton Freiburg in den Ständerat gewählt, präsidierte er diesen 2008/2009. Ab 2005 amtete er zudem als Vizepräsident der sozialdemokratischen Fraktion und war Mitglied zahlreicher parlamentarischer Kommissionen. Er präsidierte das Ratsbüro, die staatspolitische Kommission und die Delegation der parlamentarischen Versammlung der Frankophonie. Seit dem 1. Januar 2012 ist Alain Berset Vorsteher des Departementes des Innern EDI. Im Jahr 2017 war Berset Vizepräsident des Bundesrats, im Jahr 2018 Bundespräsident.